„Volksentscheid Fahrrad“ – eine Initiative zur rechten Zeit

Ein Kommentar zur Berliner Verkehrsprolitik

Die "Initiative Volksentscheid Fahrrad" war bislang ein sensationeller Erfolg. Das bringt frischen Wind in die Verkehrspolitik. Man sollte ihn nutzen - und den Kurs der initiative ein wenig korrigieren.
Foto: wissenschaftsjahr / flickr.com / CC BY-ND 2.0Foto: wissenschaftsjahr / flickr.com / CC BY-ND 2.0
Über 100.000 Unterschriften in nur dreieinhalb Wochen hat die „Initiative Volksentscheid Fahrrad“ sammeln können – das sind Zahlen, die für sich sprechen. 20.000 Unterschriften wären nötig gewesen, sie hätten binnen sechs Monaten gesammelt werden müssen. Dieser Erfolg zeigt glasklar, dass immer mehr Menschen in Berlin der Meinung sind, dass mehr für die Radfahrer getan werden muss. Jetzt folgt der nächste Schritt: Innerhalb von vier Monaten muss die Initiative 170.000 Unterschriften sammeln, damit ihr Gesetzentwurf allen Berlinern zur Entscheidung vorgelegt werden kann.

Und es ist wahr: Auch wenn sich die Situation für Radfahrer im Berliner Verkehr in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, so bleibt dennoch viel zu tun. Immer noch werden Radfahrer diskriminiert und durch gedankenlose Straßenplanung – unter anderem auch an Baustellen – in Gefahr gebracht. Zum Glück lassen sich viele davon nicht vom Radfahren abbringen, was allerdings nicht verwundern kann, denn die Vorteile überwiegen bei weitem: Das Fahrrad ist ein preiswertes, praktisches, nerven- und umweltschonendes und Lebensfreude bringendes Verkehrsmittel, das für eine Stadt wie Berlin wie geschaffen ist.

Dem Initiator des Volksentscheides, Heinrich Stößenreuther, gebührt das Verdienst, den Geist, der durch die Stadt weht, eingefangen zu haben. Doch sein Gesetzentwurf ist mangelhaft. Zum einen strotzt er nur so vor unbestimmten Rechtsbegriffen, die sich schwer oder gar nicht in die Wirklichkeit umsetzen lassen und daher der Verwaltung (sofern er in Kraft tritt) als Ausflucht für weiteres Nichtstun dienen kann. Zum zweiten frönt er einer geradezu sozialistischen Tonnenideologie – als ob es sinnvoll wäre, soundsoviele Kilometer Radwege neu zu bauen, ohne auf die Qualität zu achten. Viele Radfahrer teilen diese und weitere Kritikpunkte und haben dennoch unterschrieben: Sie denken, dass die Gunst der Stunde genutzt werden sollte.

Recht haben sie! Es ist an der Zeit, dass die Verkehrsplanung in Berlin – zumal im Bezirk Mitte – Abschied vom Leitbild Auto nimmt. Klimawandel, Feinstaubbelastung, Lärm und Stress – das sind Begleiterscheinungen der Fixierung auf ein einziges und dazu noch das falsche Verkehrsmittel. Dabei bietet die Stadt dank großer Straßen ideale Möglichkeiten, alle Verkehrsarten gleich zu behandeln. Es wäre zwar nicht ungerecht, dem motorisierten Individualverkehr ein paar seiner Privilegien zu nehmen, aber das ist in der Regel gar nicht nötig, weil für alle Platz genug ist. Es ist aber in jedem Fall vonnöten, dass grundsätzlich umgedacht wird. Die „Initiative Volksentscheid Fahrrad“ hat eine wichtige Vorarbeit geleistet, auch wenn sie falsche Ziele verfolgt. Es ist daher unsere Aufgabe, uns in die anschwellende Diskussion einzuschalten und in die richtige Richtung zu lenken.

Foto: wissenschaftsjahr / flickr.com / CC BY-ND 2.0